Donnerstag, 14. Mai 2009

// SIKKIM, MIT DEM SCHLUCHTIGEN STOEPSEL DER IMPERDINENZ // fabsn //



Meine oesterreichischen Wurzeln beginnen zu shaken,
Kammerflimmern im schluchtigen Teil des Herzmassivs,
Mein Blut fliesst ab sofort serpentinenartig Koerperauf-
und abwaerts.


So etwas darf sich Berg nennen.
Gleich drei Achttausender vor meiner Nase - ja, auch der Koenig derer,
Prof. Dr. Col. Sgt...Seine Hoheit, Eure Durchlaucht Everest.
Mit seinen 500.000 Einwohner wirkt Darjeeling auf mich wie eine
Aneinanderreihung von Almen.

Wir ( immer noch Itai und ich ) gastieren auf der Kuppe des
Bergmassivs, in der Lodge eines alten Nepali.
Hier beginnen die Tage, die als "chillaxing days" in mein
Sprachvokabular mitaufgenommen werden. Alles ist reduziert auf das
Noetigste. Im Gegensatz zu dem Noetigsten, wie ich es in Kalkutta
kennenlernen durfte, birgt diese Reduzierung hier den Charme,
den man aus Bergregionen kennt.
Eine heisse Dusche ist nach den strapazen der Reise jetzt bitter noetig.
15 Minuten nachdem ich dies beim Lodge-father angekuendigt habe,
bekomme ich einen Eimer heisses Wasser vor die Tuere gestellt.

Im Grunde kann man die folgenden fuenf Tage zusammenfassen in
drei Mahlzeiten am Tag, dem verlangsamten umherstreifen durch
die Berglandschaft und Darjeelings beruehmte Teefelder, das
Abschreiten des Bazaars, Schlafen gehen um spaetestens 22.00h,
da alle Laeden puenktlich und restlos um 21.00 schliessen.
Natuerlich passieren auch hier immer mal wieder kleine
Besonderheiten, diese sind jedoch meist so klein, dass es sich nicht
lohnt naeher darauf einzugehen.

Bis auf dies vielleicht:

Es wird spaeter an diesem Abend, denn wir treffen auf ein paar Locals,
die uns mit in eine illegale Bar schleusen. Doch auch hier ist schon um
00.00h Zapfenstreich.
Auf dem Rueckweg zu unserer Kuppe passieren wir die kleine 
Polizeistation am Marktplatz. Ganz ungewoehnlich fuer die Uhrzeit 
finden wir eine kleine Menschenansammlung auf, die sich in mehr oder
weniger lautstarkem Gemurmel kreisfoermig um einen bestimmten
Punkt angeordnet hat. Der aeusserste Ring des Kreisgebildes besteht 
aus vier bis fuenf Polizeibeamten, allesamt mit geschulterter 
Schusswaffe, so antik, dass sie aus der Zeit vor 1945 stammen
muessen, als die Deutschen in Indien versuchten gegen die
Englaender vorzugehen. Wir naehern uns dem Gebilde und koennen
somit einige Blicke vom Punkt der Aufmerksamkeit erhaschen.
Ein Kampf, Mann gegen Mann.
Doch muss dieser Kampf wohl eher als Duell bezeichnet werden denn 
als tatsaechlicher Strassenkampf. Die zwei Duellanten stehen sich
gegenueber, werfen sich vermutlich Beschimpfungen auf Nepali
gegenseitig an den Kopf.
Dann ein Schlag, doch nicht aus dem Hinterhalt, sondern so
offensichtlich, dass der Gegenueber schon Sekunden vorher
mitbekommen haben muss was ihn erwartet. Ein Schwinger, mit der
flachen, rechten Hand, gezielt auf die linke Wanke des Kontrahenten.
Eine Schelle, deren klatschen von den umstehenden Haeuserfassaden
als Echo wiederhallt. Es ist viel Aggression zu spueren in den
Bewegungen der zwei Koerper, doch nicht so, wie man es aus 
Auseinandersetzungen in westlichen Regionen kennt. Nach kurzen 
Momenten weiteren Wortgefechts ist es nun am kurz zuvor noch
einsteckenden Duellanten auszuteilen. Eine Ausholbewegung, ein
schwingender rechter Arm, eine Hand, die laut klatschend auf der
Wange desjenigen auftrifft, der ehemals noch austeilen durfte.
Wie ein ehrerfuelltes Ritual setzt sich dieses Spiel fort, als wir schon
das letzte Stueck Heimweg angetreten haben.

Tags darauf verlassen wir Darjeeling mit unserer 15 Tage dauernden
Sondergenehmigung fuer die im Norden gelegene Region Sikkim und
dringen somit tiefer ins Himalayagebirge vor.

Seit fuenf Tagen nun streife ich allein durch die Bergdoerfer, 
denn Itai wollte eine andere Route laufen, um sein Visum voll
ausnutzen zu koennen, waehrend ich immer oefter auf die Uhr
schaue, um zu realisieren, dass mir die Zeit davonlaeuft.

Hier in Pelling habe ich gestern abend doch tatsaechlich den ersten
Westler gesehen, seit ich alleine unterwegs bin.
Ich laufe viel und rede wenig, haenge oft in buddhistischen Kloestern
ab ( wie jetzt gerade auch, waehrend ich die Worte in mein Moleskine
schreibe, um sie spaeter nur noch abtippen zu muessen ) oder sitze
mit Blickrichtung aufs Bergmassiv auf der Terasse irgendeiner 
Garkueche und stopfe einen Momo nach dem anderen in mich hinein.

Jetzt duerfte auch klar werden, warum die Texte laenger und 
geschwollener werden - trotz der davonlaufenden Zeit, wohin bloss
mit ihr?

Namastee
fabsn







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